Kapelle Rheinstraße

Herz Jesu Leuchter

Die Bewohner der Rheinstraße hatten einen weiten Weg zurückzulegen, wenn sie die Sonntagsmesse in Marpingen oder in Winterbach besuchen wollten. Deshalb fassten sie schon im Jahre 1905 den Entschluss, eine Kapelle zu errichten.

Der damalige Pastor Schmidt aus Marpingen unterstützte die „Stroßer“ in ihrem Vorhaben und regte die sechs Familien (Anton Recktenwald, Michel Jene, Peter Saar, Josef Dörr, Johann Schorr und Johann Geßner) an, Geld zu sammeln. Ihr Ziel war die regelmäßige Sonntagsmesse in der Kapelle.

Der Gottesdienst, so dachte man, könnte sonntags von einem pensionierten Pfarrer oder einem Pater des Missionshauses in der Kapelle gefeiert werden. Dieser würde mit der Kutsche oder später mit dem Auto von einem Bewohner der Rheinstraße abgeholt und nach der Messe wieder heimgefahren werden.

Bis 1918 waren 1212 Mark zusammen. Das Geld hätte damals für den Rohbau gereicht. Leider wurde durch die Inflation nach dem ersten Weltkrieg das Geld wertlos. Aber die Einwohner der Rheinstraße, nun auf zwölf Familien angewachsen, begannen wieder mit dem Sammeln. Bis zum 1. März 1935 konnte man 3515 französische Franken zählen. Durch die Rückgliederung des Saarlandes an Deutschland in diesem Jahr verlor das Geld einen Teil seines Wertes und am 1. Juni 1937 wurde das Sammeln bei einem Kassenbestand von 791 Reichsmark eingestellt. Durch die erneute kriegsbedingte Geldentwertung nach dem 2. Weltkrieg gingen die gesamten Ersparnisse wieder verloren. Im Jahre 1950 wurde der Beschluss gefasst, so bald als möglich mit dem Bau der Kapelle zu beginnen. Die Steine für die Kapelle wurden in den „Wacken“ und auch im Steinbruch von Herrn Wilhelm Brehm gehauen.

Das Grundstück wurde von der Gemeinde Marpingen kostenlos zur Verfügung gestellt. Endlich, im Juli 1952, erfolgte der erste Spatenstich und schon im Herbst hatte man die Fundamente in Eigenleistung fertig gestellt. „Zu den tatkräftigen Förderern des Kapellenbaus gehörten folgende Männer: Wilhelm Brehm, Jakob Hinsberger, Andreas Jene, Peter Jene, Stephan Müller, Jakob Recktenwald, Theodor Recktenwald und Wilhelm Recktenwald.“ (SZ vom 26.05.1953) Nun wurden die Arbeiten zügig weitergeführt. Die Bauarbeiten vergab man an die Firma Holzer aus Urexweiler und am 14. Mai 1953 setzte man die ersten Steine auf die Fundamente. Die Planung und Bauaufsicht lag in den Händen des einheimischen Architekten Werner Klees. Am 25. Mai war es dann endlich soweit: Feierliche Grundsteinlegung der Kapelle.

Ein großes Fest wurde mit bis zu 2000 Besuchern gefeiert. Den Auftakt bildete der Festzug, der um 14.00 Uhr an dem nördlich gelegenen „Leienwald“ Aufstellung nahm und sich zum Bauplatz bewegte. Dort begrüßte Theodor Recktenwald als Vertreter der Bürger der Rheinstraße alle Gäste und drückte den Helfern und Förderern der Kapelle den Dank des Kapellenvereins aus. Pastor Nicklas nahm die Grundsteinlegung vor. Außer der Grundsteinurkunde wurde auch eine Liste der Bewohner der Rheinstraße, zwei Tageszeitungen und ein Kästchen mit Münzen der damaligen Währung mit eingemauert. Natürlich durften bei diesem Fest die Darbietungen der Vereine der Nachbargemeinden nicht fehlen. „Eine besondere Überraschung im gemütlichen Teil war die Ausgabe von echtem Bauernbrot und Schinken.“ (SZ vom 20.05.53) Die Arbeiten an der Kapelle schritten weiter zügig voran. Am 07. Oktober 1953 konnte bereits das Richtfest gefeiert werden. Die Glocke läutete am 31. Oktober zum ersten Mal. Schon im November waren die Dacharbeiten abgeschlossen. In den Folgemonaten wurden Arbeiten an der Decke und am Fußboden in Eigenleistung durchgeführt. Sogar die kleine Empore wurde selbst angefertigt. Die Außenputzarbeiten und das Einsetzen der Fenster übernahmen Firmen. Im April 1955 konnten die Kirchenbänke installiert werden, einen Monat später wurde der Altar geliefert.

Die feierliche Einsegnung der Kapelle durch Herrn Pastor Nicklas - verbunden mit einem großen Fest - war am 26. Juli 1955 und die erste heilige Messe konnte am 10. August 1955 gefeiert werden. Am 13. November 1955 nahm der Kapellenausschuss den Gesamtabschluss der Kosten vor, schickte die Bücher und Rechnungen nach Trier und übergab somit die Kapelle der Kirchenbehörde. Die Gesamtausgaben beliefen sich auf 3 643 988 Französische Franken. Damals bekam man für einen Franken ein Bonbon, 5 Franken kostete ein Brötchen und für ungefähr 20 Franken erhielt man ein Glas Bier. 

Innengestaltung und Besonderheiten
Im Heimatbuch der Gemeinde Marpingen heißt es:

„Einige bedeutsame Ausstattungsstücke aus dem 18. Jahrhundert befinden sich noch in der Kapelle an der Rheinstraße. Neben einem Tabernakelaltar mit geschweiftem Stipes (lateinisch Klotz = Unterbau) und aufgelegten Ranken sind es eine Figur des Hl. Johannes des Täufers und eine der Muttergottes; diese kann durchaus schon dem 19. Jahrhundert angehören. Die etwas ungeschickte, steife Haltung weist keinen sehr begabten Meister aus und auch im Detail ist keine Künstlerhand spürbar. Sie stellt eines jener zahlreichen Stücke dar, die zwar von bildhauenden und schnitzenden Laien in provinziellem Stil geschaffen worden sind, deren Fehlen aber eine deutliche Lücke im Gesamtbild unserer Kultur darstellen würde. An der Grenze dieser Wertung steht die 80 cm hohe Johannesfigur aus Holz, freilich aus der Hand eines berufsmäßigen Schnitzers. Bei dieser Figur könnte die Qualität durch eine bessere farbliche Fassung durchaus erhöht werden. Die jetzige Bemalung ist nicht ganz befriedigend.

All die genannten Gegenstände in der Kapelle an der Rheinstraße sind nicht hiesiger Herkunft, sondern vor etwa zwanzig (heute vor fünfzig) Jahren für die Kapelle erworben worden. An der Aufzählung der einzelnen Objekte wird deutlich, wie gering der Anteil an bodenständiger Kunst heute ist. Umso mehr sind wir gehalten und verpflichtet, für Erhaltung und Bewahrung Sorge zu tragen.“

Im Einzelnen sollen folgende Teile der Kapellenausstattung näher betrachtet werden

Der Barockaltar

Herr Pastor Nicklas fand zunächst keinen geeigneten Altar. Schließlich erstand er in Straßburg drei Einzelteile. Der Altar wurde von der Firma Mettler in St. Wendel zusammengebaut und in Gold-Weiß restauriert. Die Naturfarbe – braun – hätte sich allerdings stärker von der Rückwand abgehoben.

Das Madonnenbild

Über dem Altar hängt ein Madonnenbild, das ebenfalls in Straßburg erstanden wurde. Renoviert wurde es von dem Kunstsachverständigen Professor Hannig aus St. Wendel.

Die Statue des Hl. Johannes des Täufers

Herr Pastor Nicklas kaufte diese Statue bei einem Antiquitätenhändler in Straßburg. Ihr Alter ist unbestimmt.

Der Kreuzweg

Die einzelnen Stationen sind von dem Künstler Toffinke, der in Meißenheim arbeitete, in Ton modelliert worden. Die 14 Stationen wurden nach ihrer Fertigstellung heimlich über die Grenze (zum „Reich“) ins Saarland geschafft. Herr Hans Gerber aus Marpingen trug sie paarweise in seiner Tasche nach Hause.

Die Glocke

Die Glocke der Kapelle ist heimatkundlich sehr interessant. Sie wurde 1755 zum erstem Mal in Winterbach erwähnt, anlässlich einer Revision durch den damaligen Bischof. Sie stammt aus einer alten Winterbacher Kapelle, die gegenüber der jetzigen Kirche gestanden hat, wo auch das alte Pfarrhaus war. Die Kapelle wurde um das Jahr 1900 abgerissen. Sie wurde uns auf Antrag von Theresia Brehm vom Winterbacher Gemeinderat im Herbst 1953 leihweise überlassen.

Die Muttergottesstatue

An der linken Vorderseite des Kirchenschiffs steht eine in Straßburg gekaufte Muttergottesstatue. Sie wurde ungefähr um 1800 von einem unbekannten Künstler angefertigt.

 

Der Grundstein

Er ist im Chor eingemauert und enthält neben der Urkunde und zwei Tageszeitungen auch eine von Theresia Brehm geschriebene Liste über alle damaligen Einwohner und ein Säckchen mit Münzen. Der Grundstein wurde 1996 restauriert.

Die Fenster

Die kleinen Fenster rechts und links des Altares wurden von Margarete Recktenwald und Michel Jene, Rheinstraßer Bürger, gestiftet.

Die beiden großen Fenster wurden vom Kapellenverein finanziert. Sie sind aus Buntglas und zeigen christliche Symbole wie Kelch mit Hostie, Dornenkrone, Nägel u. v. m.

Die beiden kleinen Fenster im Kapellenvorraum zeigen den Hl. Antonius und den Hl. Franziskus. Ein Fenster wurde von den Familien Micia und Schäfer aus Urexweiler gestiftet, das andere finanzierten Toni Recktenwald und Franz Brehm von der Rheinstraße. Sie wählten auch die Bildmotive aus und nahmen natürlich ihre Namenspatrone.

Die Antoniusstatue

Im Außenbereich, an der Chorwand, steht die Statue des Hl. Antonius in einer Nische. Sie wurde um die Jahrhundertwende angefertigt und stammt aus der Pfarrkirche in Perl an der Mosel. Sie besteht aus Terrakotta. Diese Figur wurde 1996 von Josef Rech, Rheinstraße, restauriert.

Der Kerzenständer

Im Vorraum der Kapelle wurde im Jahr 2001 ein Kerzenständer aufgestellt, der die Form eines brennenden Dornbuschs hat. Leo Kunz, Rheinstraße, hat diesen Ständer liebevoll gestaltet und kostenlos zur Verfügung gestellt.

Hinweistafel

Die im Jahre 2001 am Anfang des Weges zum Friedhof aufgestellte Hinweistafel möchte die Besucher der Rheinstraße zu einem Besuch der Kapelle einladen und auch kurze Informationen über die Entstehung der Kapelle geben. Peter Spaniol hat diese Tafel gestaltet und kostenlos zur Verfügung gestellt.

Umfeld der Kapelle

Kreuz auf dem Kapellenvorplatz

Das Kreuz unter der Linde – Gestaltung und Anfertigung durch Egon Dewes - zeigt den Hl. Johannes den Täufer. Er hat als Prediger ein Buch mit einem Lamm darauf in der linken Hand. In der rechten Hand hält er die Taufschale. Durch die gelungene Verbindung zum Vorplatz der Kapelle besteht nun die Möglichkeit, die Verstorbenen würdig vor dem Kreuz aufzubahren.

Brunnen auf dem Friedhof

Der schöne Brunnen wurde 2001 von der Gemeinde errichtet.

Friedenskreuz auf der Rheinstraße - 1995

Das Friedenskreuz wurde aus Dankbarkeit für 50 Jahre Frieden errichtet. Initiator und auch Ideengeber für dieses Kreuz war Franz Brehm. Es soll ein Zeichen gegen Hass, Krieg und Ausländerfeindlichkeit sein und richtet an die heutige Generation die Mahnung, sorgsam mit dem Frieden und der Demokratie umzugehen.

Der in Marpingen ansässige Unternehmer Egon Dewes fertigte das Kreuz aus Kyllburger Sandstein an, einem gelben Sandstein mit dunkler Maserung. Am Kreuz empor rankt sich ein aus dem Sandstein herausgehauener Olivenbaum, das religiöse Symbol für den nach der Sintflut wieder geschaffenen Frieden zwischen Gott und den Menschen.

Finanzierung der Kapelle
Die Finanzierung der Kapelle war ein großes Problem. Man beschloss zunächst, die monatlichen Sammlungen zu intensivieren. Bei 12 Häusern bekam man aber höchstens 8000 bis 9000 Franken im Monat zusammen. Deshalb wurden mit Erlaubnis der Kirchengemeinde auch Haussammlungen in den umliegenden Dörfern durchgeführt, in Marpingen, Remmesweiler, Urexweiler, Winterbach und sogar auf der Habenichts.

In Marpingen kamen so am 14. Januar 1952 immerhin 239 255 Franz. Franken zusammen. Auch viele Spenden sind im „Goldenen Buch der Kapelle“ aufgeführt, Spenden in Form von Geld oder Materialien für den Bau. Fast alle Bürger der Rheinstraße haben großzügig gespendet, obwohl sie selbst nicht viel Geld hatten. Es wurden auch Kollekten durchgeführt.

Sehr viel Geld wurde durch die Gestaltung von drei Festen erwirtschaftet. Richtig große Volksfeste wurden organisiert, die von der Bevölkerung der Nachbargemeinden gut angenommen wurden.

Das erste Fest anlässlich der Grundsteinlegung fand an der Kapelle statt. Das zweite Fest legte man auf den Termin des Richtfestes am 11. September 1954 und bei der Einweihung der Kapelle am 06. November 1955 feierte man wieder. Die beiden letzten Feste fanden hinter dem Haus von Willi Recktenwald – heute Anwesen von Werner Recktenwald - statt.

Die Gemeinde Marpingen, die Regierung des Saarlandes und die Diözese beteiligten sich an den Kosten in Form von Zuschüssen.

Vier Fenster der Kapelle wurden gespendet.

Man muss aber immer wieder betonen, dass ohne die unermüdliche, ehrenamtliche Mitarbeit der „Stroßer“ dieses Projekt nie hätte realisiert werden können.

Diese Karte wurde als so genannter „Baustein“ in den umliegenden Dörfern verkauft.

Grundsteinurkunde

IN NOMINE SANCTAE TRINITATIS

Die Bewohner der Rheinstraße, einer drei Kilometer von der Pfarrkirche entfernt liegenden Filiale der Pfarrgemeinde Marpingen, beschlossen im Hinblick auf die weite Entfernung vom Gotteshaus, eine Kapelle zu bauen. Sie soll, wenn kein Kirchgang möglich ist, die Gläubigen zur Gemeinschaft in Gott laden und ihnen Mittelpunkt und Auftrieb nach oben sein.

Um das Bauvorhaben ausführen zu können, wurden schon seit dem Jahre 1905 wiederholt Geldsammlungen durchgeführt. Der jeweilige Baufonds ging aber durch mehrmalige Geldentwertungen verloren. Nach erneutem Sammeln von Baumitteln und nachdem die Zivilgemeinde Marpingen im Jahre 1952 ein Grundstück als Bauplatz unentgeltlich zur Verfügung gestellt hatte, begann die inzwischen auf achtzig Personen in sechszehn Familien und in dreizehn Häusern angewachsene Ortschaft mit der Errichtung der Kapelle, über deren Grundsteinlegung diese Urkunde berichtet.

Am Pfingstmontag, dem fünfundzwanzigsten Mai neunzehnhundertdreiundfünfzig, als Seine Heiligkeit Papst Pius der Zwölfte Statthalter Christi, Seine Exzellenz Dr. Matthias Wehr Bischof des Bistums Trier, Herr Johannes Hoffmann Ministerpräsident der Regierung des Saarlandes, Herr Dr. Paul Schütz Landrat des Kreises St. Wendel, Herr Pfarrer Anton Maria Nicklas Pfarrer von Marpingen, Herr Diplom Volkswirt Johann Mailänder Amtsvorsteher des Amtes St. Wendel-Land und Herr Friedrich Recktenwald Bürgermeister von Marpingen war, wurde dieser

GRUNDSTEIN ZUR KATHOLISCHEN KAPELLE

auf der Rheinstraße gelegt und von dem Hockwürdigen Herrn Pfarrer Anton Maria Nicklas feierlich eingesegnet.

Die Schirmherrschaft übernahm die Pfarrgemeinde Marpingen, Architekt war Herr Diplom-Ingenieur Hans Ulrich aus Saarbrücken, Bauleiter Herr Bauingenieur Werner Klees aus Marpingen; den Rohbau erstellte der Bauunternehmer Peter Holzer aus Urexweiler.

Möge diese Kapelle, die dem heiligen Johannes dem Täufer geweiht ist, dazu beitragen, den Bewohnern der Rheinstraße und ihren Nachkommen den Weg zur ewigen Seligkeit zu bereiten!

Der Pfarrer von Marpingen
gez. Anton Maria Nicklas